home
***
CD-ROM
|
disk
|
FTP
|
other
***
search
/
Atari Forever 4
/
Atari Forever 4.zip
/
Atari Forever 4.iso
/
LIEDER_T
/
83
/
TEXTE.100
/
TEXT.056
< prev
next >
Wrap
Text File
|
1998-03-14
|
4KB
|
130 lines
Titel: MANN AUS ALEMANNIA
Interpret: REINHARD MEY
---------------------------------------------------------------------
Als ich im vergang'nen Jahr
bei den Pyramiden war,
kurzbehost im Wüstensand
in der Reisegruppe stand,
auf dem Kopf zum Schutz vor der Hitze
eine grünbeschirmte Mütze,
hab' ich wie die andern hundert
auch den großen Bau bewundert
und mich, Kamera behängt,
auch auf ein Kamel gezwängt.
Das trug mich geduldig stumm
zweimal um die Sphinx herum.
Doch nach dieser Viertelstunde
wollt' ich eine dritte Runde.
Völlig seekrank schon vom Wandeln,
doch im Orient muß man handeln
oder man wird unbedarft
gleich als Ausländer entlarvt.
Also feilschte ich massiv,
bis der Kameltreiber rief:
Guck mal, ach nee, sieh mal da,
Mann aus Alemannia!
Guck mal, ach nee, sieh mal da,
Mann aus Alemannia!
Irgendetwas verriet mich ganz
offentsichtlich auf Distanz,
also hab ich eingesehn,
hier muß man suptil vorgehn.
Um sich nicht zu unterscheiden,
hilft oft schon sich zu verkleiden,
einen Burnus zu gebrauchen
und schon kann man untertauchen.
Gar mit einem Fez geziert
wird man sofort akzeptiert,
also kauft' ich kurzerhand
Kopfbedeckung und Gewand.
Um noch weniger aufzufallen,
trug ich einen Teppichballen
und ließ mir dazu noch eben
Dolch und Wasserpfeife geben.
Unauffällig wie ich war
ging ich schnurstracks zum bazar.
Zögernd stand ich noch davor,
da grölte schon der Händler Chor:
Guck mal, ach nee, sieh mal da,
Mann aus Alemannia!
Guck mal, ach nee, sieh mal da,
Mann aus Alemannia!
Dieser Fehlschlag nun verdroß mich
doch sehr und ich beschloß
dem Erkennungsphänomen
ganz bis auf den grund zu gehn.
Um mich völlig zu entstellen
behängt ich mich mit Eisbärfellen,
einem Kimono voller Motten
und dem Rock von einem Schotten,
einem grauen Paletot
und roch wie ein Eskimo.
So gelang ich unerkannt
durch die Altstadt bis zum Strand.
Blieb dort eine Zeitlang stehen,
um den Fischern zuzusehen,
Netze knüpfen, Boote teeren.
Die mußt' ich erst mal belehren
wie man so was richtig macht
und hab ihnen beigebracht
wie man rationell Angeln baut.
Da jubelten die Fischer laut:
Guck mal, ach nee, sieh mal da,...
Dann hab ich's noch mal versucht
und die Wüstentour gebucht.
Für 200 Mark in bar
lieh man mir ein Dromedar.
Hab das Wüstenschiff erklommen
und bin vom Weg abgekommen.
Traf nicht mal mehr Amerikaner,
nur noch eine Fata Morgana.
Stundenlang bin ich verwirrt
in der Wüste rumgeirrt.
Dann sah ich eine Person:
"Hallo", rief ich, "Wüstensohn"!
Wo gehts denn hier zur Kantine,
hör mal, alter Beduine,
bring mich rasch mal zur Oase,
ich hab meine Bierdurstphase.
Du bist doch hier eingebor'n,
wo gibts hier 'n Pils und 'nen Korn ?
Bißchen dalli, ist das klar ?
Da schrie der Mann vor Schrecken starr:
Guck mal, ach nee, sieh mal da,...
Tags darauf trat ich alsdann
schwer enttäuscht den Heimflug an.
So schloß mein Experiment,
rätselhafter Orient.
Die Versuche, Land und Leute
zu studier'n, war'n eine Pleite.
Trotz Verkleidung und trotz aller Listen
bin ich aufgefallen und überall sofort erkannt
als ein Mann aus deutschem Land.
Ohne jemals zu versteh'n,
woran die denn das wohl seh'n.
Erst in Frankfurt nach der Landung
kam die wundersame Wandlung,
als ich meine Gepäck abholte,
und der Zöllner wissen wollte,
was ich anzumelden hab',
und ich nicht gleich Antwort gab,
sagte mir der Mann vom Zoll
väterlich und mitleidsvoll:
Du wohl Türke, nix blah blah
neu in Alemannia !
Du wohl Türke, nix blah blah
neu in Alemannia !